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Tierheime in MV befürchten

Ansturm durch „Corona-Tiere“

CoronaTiere1Rostock | In Zeiten von Lockdown und Isolation ist bei vielen Menschen der Wunsch nach einem tierischen Begleiter gereift. Einige haben sich ein Haustier zugelegt – und die Verantwortung unterschätzt. Das hat Folgen fürs Tier und die Tierheime. Letztere befürchten einen enormen Anstieg ihrer Auslastung.
„Noch ist es entspannt“, sagt Norbert Schlösser vom Tierheim Rostock-Schlage. „Es herrscht eine unglaubliche Nachfrage nach Heimtieren, egal ob Katze, Hund oder Vogel.“ Laut Statistikamt stieg allein die Zahl der Hunde im Jahr 2020 in Rostock um 356. In Schwerin waren es 123 Tiere mehr. Besonders beliebt sind nach wie vor Welpen und Kitten. So beliebt, dass die Tierheime im Land diese Nachfrage oft nicht mehr bedienen können.
Besitzer sind oft überfordert
Doch es zeichnet sich ein Problem ab. Menschen, die sich zu Beginn der Corona-Pandemie ein Tier zugelegt haben, werden nun mit ausgewachsenen Tieren konfrontiert. Täglich melden sich überforderte Besitzer im Tierheim Rostock-Schlage. „Wir lassen uns in dieser schnelllebigen Zeit gar nicht auf das Tier ein“, sagt Norbert Schlösser. Kurz spazieren gehen reiche da nicht. „Die wollen sich bewegen und nicht in Ruhe vorm Fernseher sitzen“, so Schlösser. Er schätzt, dass sich das Problem in den nächsten Monaten noch verschärfen werde. Die ohnehin hohe Auslastung der Tierheime zum Jahresende könnte durch die Abgabe von „Corona-Tieren“ weiter verstärkt werden. Für Tierheime in Schleswig-Holstein ist diese Vision schon Realität. Die Kapazitätsgrenzen sind dort bereits erreicht. „Wir hoffen, dass das an uns vorbeigeht“, sagt Kerstin Lenz vom Deutschen Tierschutzbund Mecklenburg-Vorpommern. „Aber eigentlich warten wir darauf, weil sich die Leute privat unheimlich viele Tiere angeschafft haben.“ Nicht unbedingt aus Tierheimen, sondern über Anzeigen und das Internet.
Hunde mit unbekanntem Hintergrund sind problematisch
Das führt zu einem weiteren Problem. „Dadurch werden Rassen und Mischlinge angeschafft, deren Hintergrund man gar nicht kennt“, erklärt Norbert Schlösser. „Da entwickeln sich dann Hunde, bei denen die Familie nicht mehr Teil des Rudels ist. Dann muss man sich vorsehen“, so Schlösser. Bisse nicht ausgeschlossen. Diese Tiere würden oft weggesperrt. Ein verheerender Schritt. „Wenn diese Tiere abgegeben werden, sind sie nur noch durch Resozialisierung zu beherrschen. Das dauert Wochen und Monate und kostet viel Geld“, so Schlösser.
Auch bei der Anschaffung von Tieren aus dem Kofferraum oder Hinterhof werden horrende Preise aufgerufen. „Man bekommt keinen Hund mehr unter 1000 Euro“, erklärt Kerstin Lenz. Für einen Labrador ohne Papiere müssten 2500 Euro bezahlt werden. „Das ist unglaublich! Da gab es früher 500 Euro für“, sagt sie. Norbert Schlösser ergänzt: „Wenn es auf anderem Weg nicht schnell genug geht, bezahlen die Leute diese Unsummen.“
Tierheime rechnen mit erhöhter Auslastung
Die Anschaffung eines Hundes sollte sich vorher gründlich überlegt werden. Die Abgabe nach einem kurzen Einleben hat enorme Auswirkungen auf die Tiere. „Für den Hund bricht dadurch eine Welt zusammen“, macht Norbert Schlösser deutlich.
„Wir haben immer mehr schwierigere Hunde in den Tierheimen“, sagt Kerstin Lenz vom Tierschutzbund. Dadurch werden die „Langzeitinsassen“ immer zahlreicher und die Auslastung höher. Schwierige Tiere können oft nicht mehr vermittelt werden.

„Wir fürchten uns davor“, sagt Norbert Schlösser. „Damit werden die Tierheime in Zukunft zu tun haben. Weil Leute in dem Tierwunsch völlig versagen und aufgeben.“ Dieser Selbstüberschätzung könne nur durch umfassende Beratung in einem örtlichen Tierheim vorgebeugt werden.

Quelle: Nordkurier