SpendenButton

Ansturm auf Tierheim

Schlage in Corona-Zeiten: „Ältere Tiere haben es weiter schwer“

TiereCorona1Im Tierheim Schlage (Landkreis Rostock) ist die Nachfrage nach einem Tier derzeit groß. Der Grund: Viele Menschen sind in der Corona-Krise einsam – und haben viel Zeit. Gesucht werden vor allem kleine Haustiere sowie Kitten und Welpen. Ältere, behinderte und auffällige Tiere haben es weiterhin schwer.

Rostock/Schlage Charly (10) schmust mit Juliane Östreich (32). Der Schäferhund-Rüde drückt sich eng an „seine“ Tierpflegerin, die ihn im Tierheim Schlage bei Dummerstorf betreut. Aufmerksam verfolgt Charly, was um ihn herum geschieht. Ihm ist nicht anzumerken, unter welchen starken Schmerzen er leiden muss.

„Seine Ohren sind entzündet und sehr angeschwollen, wahrscheinlich durch eine Allergie verursacht“, sagt Tierheimleiter Norbert Schlösser. Gleich wird Charly zu seiner ersten Ohr-OP gefahren, eine zweite wird folgen. Dazu hat der Schäferhund schlimme Zahnschmerzen.

Schäferhund-Rüde Charly sucht neue Menschen-Partner
„Charly benötigt dringend Hilfe“, betont Schlösser. Nicht nur medizinische, die bekommt er im Tierheim. Nein, der Hund brauche wieder Menschen um sich. „Seine frühere Besitzerin ist ins Pflegeheim gekommen – und Charly zu uns.“

TiereCorona2Viele Leute brauchen „Sozialpartner Tier“
Ob er ein neues Frauchen oder Herrchen findet? „Die Nachfrage nach einem ,Sozialpartner Tier’ ist zurzeit um ein Vielfaches höher als in den Jahren zuvor“, sagt Schlösser. Der Grund: Viele Menschen seien in Corona-Zeiten einsam und hätten viel Zeit. Jedoch: „Vordergründig werden kleine, liebe Haustiere als Gefährten gesucht“, weiß der Tierheimchef.

Unkompliziert und pflegeleicht sollten sie alle sein. Welpen, Kleinhunde, Katzenkinder oder Exoten sowie Kleintiere wie Kaninchen und Meerschweinchen seien am meisten nachgefragt. „Schwieriger wird es bei der Vermittlung von verhaltensauffälligen, behinderten und lebensälteren Tieren oder schwierigen Hunden mit Vorgeschichte“, erklärt Schlösser. Keine guten Chancen für Charly.

TiereCorona3Blinder Kater Charly kuschelt gern
Auch sein Namensvetter, der weiß-schwarz gefleckte Kater Charly, passt wohl nicht in das Nachfrageschema. Der sechsjährige Stubentiger ist blind. „Als er zu uns ins Tierheim gebracht wurde, waren seine Augen so kaputt, dass sie entfernt werden mussten“, berichtet Tierpflegerin Nicole Kutschera (27). Der Kater finde sich trotz seiner Behinderung gut zurecht. Und er kuschelt gern – das hat er mit Hunde-Charly gemeinsam.

Haustiere kosten Zeit und Geld
„Eine große Nachfrage ist nicht gleichbedeutend mit einer hohen Vermittlung“, erklärt Schlösser. Viele Leute würden doch davor zurückschrecken, ein Tier aufzunehmen – wenn ihnen klar werde, was damit alles an Zeit und Kosten verbunden sei. „Zurzeit beraten wir Interessenten zunächst am Telefon. Dann vereinbaren wir einen Termin. Und wenn alle ein gutes Gefühl haben, kommt es zur Vermittlung.“

2020 wurden in Schlage 638 Tiere aufgenommen und 426 vermittelt. Etwa 270 Tiere unterschiedlichster Arten werden jetzt im Tierheim resozialisiert, gepflegt und auch tierärztlich versorgt.

Kleiner Gnadenhof Letschow nimmt besondere Tiere auf
Dagegen werden im Kleinen Gnadenhof im Schwaaner Ortsteil Letschow ausschließlich Hunde und Katzen betreut. „Diese übernehmen wir aus anderen Tierheimen, da sie dort aufgrund des Alters, einer Behinderung oder aber des Verhaltens keine Chance auf Vermittlung haben“, sagt Vereinsvorsitzende Christel Klein.

Daher seien die Aufnahmen und Vermittlungen eher gering. In seltenen Fällen würden auch „Privattiere“ aufgenommen. Zurzeit bekomme der Gnadenhof zwar mehr Anfragen als sonst, es könne aber oft kein passendes Tier empfohlen werden. 2020 wurden 30 Hunde aufgenommen, davon konnten 22 vermittelt werden. Und von 29 aufgenommenen Katzen wurden 21 vermittelt.

TiereCorona4Tierschutzbund befürchtet Ansturm nach Corona
„Alle Tierheime in MV haben seit Monaten mit Corona zu tun“, betont Kerstin Lenz, Landesvorsitzende des Deutschen Tierschutzbundes. Es würden jetzt vor allem die Einnahmen der Vereinsfeste sowie Spenden fehlen. Bei vielen Vereinen seien die Existenznöte daher so groß wie nie.

Tierheime sind auf Spenden angewiesen
Rund 34 Millionen Haustiere gibt es laut Schätzungen in Deutschland. Darunter sind 14,7 Millionen Katzen, 10,1 Millionen Hunde, 5,2 Millionen Kleintiere sowie vier Millionen Ziervögel.

32 Prozent der Hunde und 37 Prozent der Katzen, die als Haustiere gehalten werden, wurden von Tierschutzvereinen und Tierheimen vermittelt.

Die Tierheime sind in Corona-Zeiten besonders auf Spenden für ihre Tiere angewiesen.

Tierheim Schlage: Ostseesparkasse Rostock, IBAN: DE94 1305 0000 0290 0015 01, www.tierheim-schlage.de
Kleiner Gnadenhof e.V. Letschow: Deutsche Kreditbank AG Berlin, IBAN: DE38 1203 0000 0010 0805 62, www.kleiner-gnadenhof.de

„Sehr beunruhigend ist auch der enorme Anstieg der Welpenkäufe im Privatsektor, dort wird alles gekauft, was angeboten wird und das zu horrenden Preisen“, erklärt Kerstin Lenz. Die Tierheime befürchten einen starken Ansturm an Tieren in etwa einem Jahr, wenn viele Menschen nicht mehr zu Hause arbeiten und keine Zeit mehr für sie haben. Viele unüberlegt über das Internet, den Zoofachhandel oder beim Züchter angeschaffte Tiere könnten dann in den Tierheimen landen.

Quelle Ostseezeitung