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Corona fordert Mecklenburgs

Tierheime heraus

CoronaMecklenburgSpendenbereitschaft hat nachgelassen – dafür vermehrt Anfragen nach Vierbeinern / Verantwortliche aber warnen: Es gibt auch eine Zeit nach Corona

Von Jana Franke
Seefeld/Dorf Mecklenburg/Schlage/ Roggendorf. Mit den Corona- Schutzmaßnahmen in Mecklenburg- Vorpommern und der dringlichen Bitte, möglichst zu Hause zu bleiben, mehren sich in einigen Tierheimen Mecklenburgs die Anfragen nach Katzen oder Hunden. Einige Menschen wollen scheinbar ihre zur Verfügung stehende freie Zeit dazu nutzen, um die Tiere an sich und die neuen vier Wände zu gewöhnen.
Grundsätzlich freuen sich die Tierheime natürlich über das Interesse, aber Angelika Streubel vom Rostocker Tierschutzverein warnt: „Es gibt auch eine Zeit nach Corona.“ Was passiert, wenn der Alltag wieder normal läuft, fragt sich ebenso Meike Jaworski vom Tierheim in Roggendorf (Nordwestmecklenburg). Auch sie beobachtet mehr Anrufe von Interessenten. „Merken wir, dass die Bereitschaft in der jetzigen Zeit wirklich ernst gemeint ist, eine Katze oder einen Hund zu sich zu nehmen, vereinbaren wir auch einen Termin, sodass sich Tier und Mensch kennenlernen können“, erklärt Meike Jaworski. Alles natürlich unter Einhaltung aller vorgegebener Schutzmaßnahmen.

Tiere aus Angst abgegeben
Ob die Katzen „Frau Schiller“, „Mimi“ und „Ursel“ oder die Hunde „Zieta“, „Bruno“ und „Willy“ – das Roggendorfer Tierheim hat alle Vermittlungstiere auf seiner Internetseite vorgestellt. Derzeit suchen 31 Hunde und knapp 70 Katzen ein neues Zuhause. Gerade zum Anfang der Corona-Krise hätten einige Menschen ihre Vierbeiner abgegeben – aus Angst, dass sie sich bei den Tieren anstecken oder umgekehrt, wenn sie selbst positiv getestet würden.
Eine einheitliche Aussage dazu gibt es noch nicht. Laut Friedrich- Loeffler-Institut können sich in der Tat bestimmte Haustiere mit dem Corona-Virus anstecken. Empfänglich seien zum Beispiel Frettchen. Versuche hätten auch gezeigt, dass sich Katzen infizieren können – sie stecken aber keine Menschen an und sind damit nicht relevant für die Ausbreitung der Seuche. Hunde, Schweine, Hühner und Enten seien eher nicht empfänglich für das Virus. Es bestehe also kein Grund zur Panik und kein Grund, Tiere in der Corona-Krise abzugeben oder gar auszusetzen.

Pfleger für wilde Katzen gesucht
Etwa 220 Tiere müssen derzeit in Schlage versorgt werden. Auch hier wird die Internetseite fortlaufend aktualisiert. In Obhut genommen wurden halbwilde Katzen, die auf einer gern als illegale Müllhalde genutzten Fläche in Rostock-Gehlsdorf aufgefunden worden waren. „Dort wird nicht nur Müll abgeladen, auch Katzen werden ausgesetzt. Das Veterinäramt hat uns auf den Zustand von etwa 50 kleinen Katzen hingewiesen“, erläutert Angelika Streubel, Vorstandsvorsitzende des Rostocker Tierschutzvereins.
Die Samtpfoten – mittlerweile gechipt und kastriert – sind nun in Schlage untergebracht. „Um die Vermittlungschancen der Tiere zu erhöhen, müssen sie gezähmt werden. Wir würden uns freuen, wenn sich Pflegestellen finden, also Menschen mit Katzenherz und -sachverstand“, erläutert sie. Es handele sich um Herbstkatzen, die im vergangenen Jahr geboren wurden.

Kurzarbeit in Tierheimen
Um finanziell überleben zu können, herrscht in vielen Tierheimen Kurzarbeit. Die sechs Kollegen in Roggendorf wechseln sich 14-tägig ab. „Wir sind aber weiterhin offen für Ehrenamtler, die mit den Tieren Gassi gehen“, betont Leiterin Meike Jaworski. In der Vergangenheit erklärten sich viele zur Grundstückspflege oder Reinigung der Tierunterkünfte bereit. „Das allerdings ist derzeit nicht möglich, um auch unsere Mitarbeiter zu schützen.“
Kurzarbeit auch in Schlage: Die elf Festangestellten sind in zwei Schichten eingeteilt, die jeweils sieben Tage arbeiten. „Sollte in einer Schicht jemand positiv auf Corona getestet und damit alle in diesem Team unter Quarantäne gestellt werden, haben wir eine Notfallschicht, die dann übernimmt“, sagt Angelika Streubel. Ihre Beobachtungen in der Corona-Krise: Bis auf die Katzen aus Gehlsdorf werden deutlich weniger Tiere aufgefunden und bei ihr abgegeben. „Ich vermute, das liegt daran, dass nicht mehr so viele Menschen draußen herumlaufen und alle mit sich zu tun haben“, sagt sie. Über fehlende Futterspenden kann sie sich nicht beklagen. „Die Solidarität ist nach wie vor da“, freut sie sich.

Andernorts fehlen Spenden
In Roggendorf dagegen seien viele Spenden weggebrochen. Ein ähnliches Bild im Tierheim Dorf Mecklenburg (Nordwestmecklenburg). Dafür wird es in den schweren Zeiten finanziell unterstützt – unter anderem von den Mitgliedern der Nordwestmecklenburger Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. 1000 Euro haben sie kürzlich übergeben.
Für das Tierheim Dorf Mecklenburg eine willkommene Summe. Denn hier zeigt sich ein anders Bild als in Roggendorf oder Rostock: Wegen der Corona-Krise können kaum Hunde und Katzen vermittelt werden. Und: Wegen finanzieller Engpässe in Familien durch Kurzarbeit rechnen Tierheimleiterin Doreen Kuhn und Meike Gutzmann, Vorsitzende des Tierschutzvereins Wismar und Umgebung, mit einer verstärkten Neuaufnahme von Tieren in Dorf Mecklenburg.
Etwa 10 000 Euro benötigt das Tierheim, um seinen Betrieb aufrechterhalten zu können. Ohne Spenden kann es sich nicht finanzieren. Neben dem laufenden Betrieb muss es Tierarztkosten bezahlen. Sie summieren sich im Jahr auf rund 40 000 Euro. Aus diesem Grund möchte auch der Kalkhorster Dirk Jacoby helfen. Der gelernte Herrenschneider, der in Berlin ein Modelabel betrieb, hat sich an seine Nähmaschine gesetzt und einen ganzen Stapel neuwertiger Tischdecken und Bettwäsche aus Fairtrade- Baumwolle geopfert. Aus dem Stoff hat er viele Masken für Mund und Nase genäht, die er als „Mund- Shirt“ bezeichnet und gegen freiwillige Spenden anbietet. Die sollen ohne Abzüge dem Tierheim Dorf Mecklenburg übergeben werden.

Alles anders auf dem Lottihof
Einen kurzen Schockmoment erlebte Christine Geburtig vom Lottihof in Seefeld in Nordwestmecklenburg. Als sich typische Corona- Symptome bei ihr zeigten, habe sie schon kurzzeitig überlegt, wie es mit dem Gnaden- und Kinder-Bauernhof weitergehen soll. Immerhin sind neben vielen Tieren auch zehn Mitarbeiter vor Ort, die in Quarantäne gemusst hätten. „Ich habe einen Test machen lassen, zum Glück war der negativ“, sagt sie erleichtert.
So läuft es weiter auf dem Lottihof, wenn auch mit Veränderungen. Ohne Corona würden regelmäßig Kinder vorbeischauen, um sich um die Tiere zu kümmern. Etwa 20 Kinder wuseln vor allem samstags auf dem Hof umher. Das ist derzeit nicht möglich. Auf Anraten des Deutschen Tierschutzbundes ist auch der Lottihof wie alle Tierheime für Besucher geschlossen.
„Die Tiere vermissen die Kinder, das merken wir deutlich“, erklärt Christine Geburtig. „Wir versuchen auszugleichen, was ansonsten die Kinder den Tieren geben.“ Bis zum 19. April ist der Lottihof für den Besucherverkehr geschlossen. „Wir im Team gehen aber davon aus, dass die Frist noch einmal verlängert wird“, meint Christine Geburtig.

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Kontakte
Tierschutzverein Wismar und Umgebung e.V.:
Zum tierheim 1 in 23972 dorf Mecklenburg,
telefon: 03841 / 79 01 79,
internet: www.tierheim-dorf-mecklenburg.de.

Tierheim Roggendorf:
Gadebuscher straße 3 in 19205 roggendorf,
telefon: 038876 / 318 63,
internet: www.aktiontier-roggendorf.org.

Rostocker Tierschutzverein e.V.:
Birkenstraße 14 in 18196 schlage,
telefon: 0381 / 400 12 50 (Geschäftsstelle) oder 038208 / 357 (tierheim schlage),
internet: www.tierheimschlage. de.

Lottihof Seefeld:
Waldweg in 23936 testorf-steinfort,
telefon: 0173 / 600 28 52,
internet: www.aktiontier-lottihof.org

Quelle: Ostseezeitung