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Tierheim Plau:

Prozess vertagt

 

ProzessPlauVon Katja Frick
PLAU AM SEE/SCHWERIN Fassungslos schaute die Vorsitzende Richterin Sigrun Meermann am Mittwochmorgen in Saal 7 des Landgerichts Schwerin auf den leeren Platz neben dem Verteidiger. „Das ist nicht ihr Ernst – oder?“, fragte sie ihn. Doch ja, der Angeklagte Achim J. war zu der Verhandlung über seine Berufung nicht erschienen. Das Amtsgericht Schwerin hatte den ehemaligen Vorsitzenden des Plauer Tierschutzvereins im Mai 2019 wegen der Veruntreuung von Geldern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten ohne Bewährung verurteilt. Außerdem sollte er die Kosten für das lange Verfahren tragen und 8679,37 Euro an den Verein zurückzahlen. Dagegen hatte der inzwischen wieder in Süddeutschland lebende Achim J. Widerspruch eingelegt. „Was ist das für ein komischer Vogel“, fragte die Vorsitzende Richterin eher rhetorisch. „Ich habe gestern die Vertretungsvollmacht des Angeklagten per Fax bekommen“, entschuldigte sich der Verteidiger. „Ohne den Angeklagten verhandele ich nicht“, stellte die Richterin fest. „Das ist mein Fehler, ich hätte den Angeklagten zum persönlichen Erscheinen laden müssen, habe dafür aber keine Anhaltspunkte gesehen. Schließlich ist er bisher bei allen sechs Verhandlungstagen erschienen.“ Nach einem Abgleich der Terminkalender von Richterin und Verteidiger wird klar: die Berufungsverhandlung kann nun nicht vor dem Frühsommer stattfinden. Die Richterin entschuldigte sich bei der bereits anwesenden Hauptzeugin der Anklage Uta Kaßler, die vor Achim J. Vorsitzende des Tierschutzvereins war.

„Ich bin fassungslos“, sagt Uta Kaßler „Ich hatte Ende Januar eine Wirbelsäulen-OP und habe mich extra heute hierher fahren lassen. Und der Betrüger wagt es, hier nicht zu erscheinen.“ Die anderen sieben geladenen Zeugen kann Uta Kaßler telefonisch noch erreichen und Bescheid geben. Einige sind schon auf dem Weg nach Schwerin und müssen wieder umkehren. Nur die einzige Zeugin der Verteidigung, die ehemalige zweite Vorsitzende, erreicht sie nicht, sie hat wohl eine neue Handynummer.

Nun müssen die Vereinsmitglieder weiter auf Gerechtigkeit und ihr Geld warten. Die 8679,37 Euro sind jedoch nur die Summe, für die Achim J. die Verantwortung übernommen hat. „Für das andere Geld gibt es keine Belege mehr“, so Kaßler. „Insgesamt haben wir jetzt rund 42 000 Euro Schulden, unter anderem durch unbezahlte Rechnungen, seitdem Achim J. Vereinsvorsitzender war. Vorher hatten wir immer genug Geld.“ Die vom Verein betriebene Tierstation hatte sich als einzige in der Region um streunende und schutzbedürftige Tiere gekümmert. Finanziert habe sich dieser Tierschutz aus dem Geld für abgegebene und zur Pension aufgenommene Tiere sowie über Spenden. So seien in der Zeit von Achim J. etwa 25 000 Euro an den Verein vererbt worden. Der Vorwurf an Achim J. lautet nicht, dass er sich alles fehlende Geld eingesteckt haben soll. Sondern dass er in seiner Zeit als Vorsitzender von April 2016 bis Mai 2017 auch falsche Entscheidungen traf und so den Tierschutzverein in die Insolvenz trieb. „Er hat zwei Tierpflegerinnen für 16 Euro pro Stunde eingestellt“, erzählt Kaßler. Sie habe ihn gefragt, wovon er das bezahlen wolle. Bis zur Ära von Achim J. habe der Verein nur mit ehrenamtlichen Helfern und ein Ein- Euro-Jobbern gearbeitet.

Allerdings wurde am Ende des Prozesses gegen Achim J. bekannt, dass er ein vielfach verurteilter Betrüger ist. Seit 2005 verurteilten drei Amtsgerichte verschiedener deutscher Städte J. wegen Betrugs und Untreue. Das letzte Mal das Amtsgericht Landau 2014 in elf Fällen. Dabei erhielt der Angeklagte eine Freiheitsstrafe auf Bewährung. Der Auszug aus dem Bundeszentralregister machte am Ende des Prozesses deutlich: Achim J. betrog in den vergangenen 14 Jahren systematisch und zielgerichtet. Auch bei der Betrachtung des aktuellen Verfahrens entsteht der Eindruck, dass sich der Angeklagte relativ zielgerichtet den Einfluss über Barkasse und beide Bankkarten des Vereins verschaffte.

Quelle SVZ