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Abgebrannter Mega-Stall

in Alt Tellin soll wieder aufgebaut werden – als Musterbetrieb

MusterstallDer abgebrannte Riesenstall von Alt Tellin soll wiederaufgebaut werden – als Modellprojekt mit bundesweitem Modellcharakter. Das verspricht jedenfalls Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD). Der Betreiber äußert sich zurückhaltender. In der Landtagsdebatte stand auch die Frage im Raum: Wer hat das eigentlich genehmigt?

Schwerin
Auf den Ruinen des abgebrannten Riesen-Stalls von Alt Tellin, in dem nach Betreiberangaben rund 55 700 Schweine qualvoll verendeten, soll eine Art „Landwirtschaft der Zukunft“ entstehen. Das kündigte Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) am Mittwoch im Landtag ein. Die Abgeordneten debattieren aus Anlass des katastrophalen Großfeuers in Vorpommern-Greifswald unter dem Titel „Aus Respekt vor der Schöpfung – in Tierwohl investieren“.
„Die Anlage wird in der alten Form nicht wieder errichtet“, sagte Backhaus, der zuvor mit den Betreibern des Großbetriebs gesprochen hatte. Der Politiker stellte für zukünftige Ställe Obergrenzen in Aussicht, nannte aber keine Details. Die neue Anlage soll ein Modellprojekt mit bundesweiter Vorbildfunktion werden, unter der Prämisse: Abkehr von der Industrie, zurück zu einer bäuerlich orientierten Landwirtschaft. Die LFD-Holding, Betreiber des abgebrannten Mega-Stalls, wird laut Backhaus ein alternatives Konzept für einen Neustart hinlegen. Das Unternehmen selbst spricht dagegen von einem „möglichen“ Wiederaufbau.
In einem großen Schweinezuchtbetrieb in Alt Tellin (Vorpommern-Greifswald) ist am Dienstag ein Feuer ausgebrochen. Nach bisherigen Erkenntnissen sollen vier Ställe mit etwa 5000 Tieren betroffen sein.
Backhaus sieht sich in der Verantwortung
Zu der Aktuellen Stunde, die auf Antrag der CDU stattfand, gehörte auch das Schwarze-Peter-Spiel, wer denn bloß Alt Tellin wohl genehmigt hat. Der linke Landrat im damalige Landkreis
Alt Demmin habe die umstrittene Schweinezucht schon in der Planungsphase unterstützt, ebenso der frühere Umweltminister Wolfgang Methling aus der gleichen Partei, kritisierte Beate Schlupp (CDU). Backhaus unterstützte demnach das Vorhaben aktiv durch Agrardienstleister des Landes. Die Betriebserlaubnis unterschrieb der damalige Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU), räumte Schlupp ein. „Ich habe die Anlage nicht genehmigt, aber natürlich stehe ich in der Verantwortung“, sagte Backhaus.
Auf die in die Kritik geratene Entsorgung der Schweinekadaver des Großbrands ging Backhaus nicht ein. Seinem Ministerium wird vorgeworfen, der LFD-Holding die kostengünstige Einlagerung von bis zu 3000 Tonnen Kadaver in der landeseigenen Deponie Ihlenberg angeboten zu haben – was nach Brancheninformationen nur einen Bruchteil einer regulären Entsorgung kosten würde. „Das Brandschutzkonzept scheint nicht funktioniert zu haben“, sagte Backhaus, was vor dem Hintergrund Zehntausender qualvoll verendeter Tiere ein wenig rätselhaft klang.
Union setzt auf Fördermittel
Beate Schlupp (CDU) sprach sich für höhere Fleischpreise und Förderprogramme für eine „Landwirtschaft 4.0“ aus. AfD-Politiker Ralf Borschke kritisierte einerseits eine jahrelange Untätigkeit der Landesregierung in Sachen Tierwohl. Zugleich gebe es eigentlich aber gar nichts zu verbessern: „Deutschland hat den höchsten Standard in der Tierhaltung. Wir machen bereits genug“, sagte Borschke, der selbst Schafe züchtet.
Elisabeth Aßmann (SPD) bedauerte, dass bei den Koalitionsverhandlungen für die Landesregierung 2016 keine verbindlichen Obergrenzen für Großställe vereinbart wurden. Aber auch in kleineren Anlagen endeten Feuer für die meisten Tiere tödlich, sagte sie. Wolfgang Weiß (Linke) widersprach indirekt der mehrfach vorgetragenen Befürchtung, dass bei strengeren Auflagen das Fleisch nur noch aus dem Ausland in die Supermärkte kommt, das unter vollkommen unklaren Bedingungen hergestellt werde. „Es geht längst nicht mehr darum, die eigene Bevölkerung zu ernähren. Deutschland ist Exportweltmeister beim Schweinefleisch“, sagte Weiß.
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Fukushima der Fleischindustrie
Der Brand von Alt Tellin sei für die Branche so etwas wie das Reaktorunglück von Fukushima für die Atomkraft, erklärte der Linke. Derartige Tierfabriken hätten nichts mit Landwirtschaft zu tun und gehörten verboten. Ganze Regionen litten unter den Mega-Ställen. Tourismus sei hier nicht möglich, die Arbeitsplätze blieben überschaubar. Gerade einmal 19 Vollzeitstellen gab es laut Weiß in der Anlage Alt Tellin.

Quelle: Ostseezeitung