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Wir werden verarscht

„Kampfhunde“-Regel in MV einfach verlängert

KampfhundeVier Hunderassen sind in Mecklenburg-Vorpommern als gefährlich eingestuft, obwohl Zahlen zu Beißattacken dies nicht wirklich belegen. Das Innenministerium wollte die Lage bewerten und neu regeln, hat nun aber die alte Hundehalterverordnung stillschweigend verlängert. Kritiker sind empört.

Neuer Streit über gefährliche Hunde in MV: Das Innenministerium hat die umstrittene Hundehalterverordnung, in der vier Hunderassen und deren Kreuzungen („Kampfhunde“) als gefährlich eingestuft sind, stillschweigend verlängert, obwohl eine Neubewertung der Lage als Voraussetzung zugesagt war. „Wir werden verarscht“, protestiert Peter Ritter von den Linken. Er fordert seit Jahren eine Neubewertung der Gefährlichkeit einzelner Rassen und eine Streichung der Listenhunde. Das Thema ploppt immer wieder hoch, wenn ein Hund einen Menschen attackiert hat. Pro Jahr geschieht dies etwa einmal pro Tag in MV, wie Statistiken zeigen. 384 Fälle registrierten die Ordnungsbehörden laut Ministerium zwischen Herbst 2018 und Herbst 2019. Auch schwere Fälle gibt es immer wieder. Im Mai biss ein frei laufender Miniatur-Bullterrier in Sagard auf Rügen einem Mädchen (2) ins Gesicht und verletzte es schwer. Die Rasse ist laut Verordnung nicht als gefährlich eingestuft. Und genau dort liege das Problem, sagt Ritter. Den vier als in MV gefährlich geltenden Rassen – American Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier (plus Kreuzungen) – seien vermutlich nicht mehr Beißattacken als anderen zuzuordnen.

So genau wüssten das Behörden in MV gar nicht, da oftmals die Rasse gar nicht ermittelt wird. Laut Ministerium waren bis 2019 nur gut drei Prozent (12 Fälle) der landesweit bekannten Beißattacken den als gefährlich eingestuften Rassen zuzuordnen. Tierschützer für Hundeführerschein aller Halter „Der deutsche Schäferhund kann auch gefährlich sein“, so Ritter. Entscheidend sei der Hundehalter. Ritter: „Das Problem sitzt meist am anderen Ende der Leine.“ Tierschützer fordern daher seit langem einen Hundeführerschein in MV. „Viele Halter können ihre Vierbeiner nicht richtig einschätzen. Somit ist die wahre Ursache für Beißattacken bei ihnen zu suchen“, meint etwa Jana Hoger von der Tierschutzorganisation Peta. Auch Kerstin Lenz, Vorsitzende des Tierschutzvereins MV, fordert seit Jahren eine Korrektur im Umgang mit Haltern und Hunden. „Einen Hundeführerschein, bei dem sich Besitzer aller Rassen mit der Haltung auseinandersetzen müssen, begrüßen wir.“ Dass das Ministerium jetzt die Hundehalterverordnung einfach verlängert hat, entsetzt Lenz. „Das ist total unsinnig.

Man kann an der Rasse nicht Gefahr festmachen.“ Hinweise der Tierschützer seien leider ignoriert worden. Ministerium: Regelung hat sich bewährt Noch 2019 hieß es aus Schwerin: Die Verordnung müsse überarbeitet werden. Teile der Regelung seien „nicht mehr zeitgemäß“, so eine Sprecherin des Innenministeriums. Nun sei sie bis Mitte 2022 verlängert worden, da ab dann ein neues Hundehaltergesetz geplant sei. Laut Ministerium habe sich die Verordnung bewährt und stelle „objektiv einen messbaren Gewinn“ für die Sicherheit der Bürger“ dar. Peter Ritter (Linke) ist empört. Für ihn wäre die Regelung in Thüringen Vorbild, wo die Linke die Regierung führt. Dort ist die Hundehalterverordnung seit 2018 Geschichte. Die meisten Bundesländer haben eine Liste gefährlicher Hunde, Hamburg sogar eine in drei Stufen mit weit mehr Rassen. Niedersachsen dagegen nicht; das Land fordert über eine Prüfung Sachkunde von jedem Hundehalter.