SpendenButton

Das Töten

geht weiter

kuekensterbenMassenhaftes Töten männlicher Küken bleibt zulässig / Bundesgericht gewährt Übergangsfrist

BERLIN/SCHWERIN Tod im Hühnernest: Kaum auf der Welt, werden in Deutschland pro Jahr 40 bis 50 Millionen männliche Küken gleich wieder ums Leben gebracht. Diese Praxis ist bis auf Weiteres zulässig, entschied das Bundesverwaltungsgericht Leipzig gestern – bis es ein marktreifes Verfahren gibt, das das Töten der männlichen Küken vermeidet.

Enttäuschung bei Tierschützern, Zustimmung in den Brütereien und bei Agrarpolitikern. Ein „tragfähiger Kompromiss zwischen Tierschutzinteressen und den wirtschaftlichen Belangen der Brütereien“, begrüßte MV-Agrarminister Till Backhaus (SPD) den Richterspruch. Eine falsche Entscheidung, dass das Gericht das Töten der Küken weiterhin erlaube, kritisierte hingegen Katrin Wenz, Agrarexpertin beim Bund für Umwelt und Natur (BUND): „Wir fordern die Politik auf, trotz des heute ausgesprochenen Urteils, den Umbau der Tierhaltung endlich zu beginnen. Das Leiden und Sterben von Millionen Küken muss ein Ende finden.“

Die Leipziger Richter setzten den Hühnerhaltern nun eine letzte Frist. Das Töten männlicher Küken ist nur noch für eine Übergangszeit zulässig, entschied das Gericht. Damit werteten die Richter die Tierschutzbelange zwar auf. Trotzdem darf das Töten weitergehen – bis den Brutbetrieben praxisreife Verfahren zur Geschlechtsbestimmung schon im Hühnerei zur Verfügung stehen. Aus Sicht der Richter reichen die von der Wirtschaft angeführten wirtschaftlichen Gründe als Rechtfertigung für das Töten nicht mehr aus. Laut Tierschutzgesetz darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. „Die Belange des Tierschutzes wiegen schwerer als das wirtschaftliche Interesse der Brutbetriebe“, so das Gericht. Allein in Deutschland werden jährlich bis zu 45 Millionen Tiere getötet, weil das System der Tierhaltung auf Höchstleistung ausgelegt ist, kritisierte der BUND. Hühner werden gegenwärtig entweder zum Legen von Eiern oder als Masthähnchen gezüchtet. Die Brüder der Legehennen sind überflüssig, da sie kaum Fleisch ansetzen. Kritik auch von der Opposition im Schweriner Landtag: „Wenn für ein paar Cent Ersparnis männliche Eintagsküken weiter legal getötet werden dürfen, müssen Gesetze entsprechend geändert werden“, forderte die Agrarexpertin der Linksfraktion, Kirstin Tackmann: „Sonst bleibt das Staatsziel Tierschutz eine leere Hülle.“

Erleichterung hingegen im Hühnerstall: Es sei eine kluge Entscheidung, die der Realität gerecht werde und zugleich Auftrag an die Branche sei. „Wir wollen lieber heute als morgen aus dem Kükentöten aussteigen“, erklärte der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, Friedrich-Otto Ripke, gestern. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) erklärte, Alternativen zur Praxis des Kükentötens gebe es bereits. Sie drängte darauf, das Massentöten „so schnell wie möglich“ zu beenden. Klöckners Appell verwundert: Seit mehr als zehn Jahren steckt ihr Ressort Millionen in die Erforschung und Entwicklung von Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei – nach Angaben des Schweriner Agrarministeriums 4,9 Millionen Euro, weitere zwei Millionen Euro für weitere Alternativen zum Töten von männlichen Küken aus Legelinien – „Bruderhähne“ und „Zweinutzungshühner“. Allein praxistaugliche Lösungen fehlen noch immer. Das Verfahren zur Geschlechtsbestimmung sei auf demWeg zur Serienreife, meint Klöckner: „Verbände und Unternehmen nehme ich hier in die Pflicht.“ Zugleich hätten es aber auch die Verbraucher in der Hand, indem sie zu Eiern griffen, die ohne Kükentöten erzeugt wurden. dpa/roth