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Paukenschlag

im Tierheimprozess

TierschutzGerichtHaftstrafe für ehemaligen Vereinsvorsitzenden/ Erstmals veröffentlichtes Vorstrafenregister offenbart kriminelle Karriere des Angeklagten

GERICHTSREPORT Von Armin Kung

SCHWERIN/ PLAU AM SEE Der Ton der Befragung hatte etwas Misstrauisches. Die Verhandlung dauerte kaum zehn Minuten als Richter Thomas Dickmann die biografischen Daten des Angeklagten Achim J. abklopfte. Welchen Schulabschluss haben Sie? Welchen Beruf haben Sie ausgeübt? Familienstand? Warum genau sind Sie vorzeitig in den Ruhestand gegangen? Welche Altersbezüge bekommen Sie? Immer wieder hakte der Vorsitzende bei den Antworten nach. Dann schwieg er sekundenlang, kein Mucks im Saal 3 des Amtsgerichts Schwerin.

Lautstark durchbrach der Richter die Stille mit einem Paukenschlag, der Prozessbeobachtern die Kinnladen zu Boden fallen ließ. Der Richter las das Vorstrafenregister des Angeklagten vor, das bisher nicht bekannt war. Achim J., der ehemalige Vorsitzende des Plauer Tierschutzvereins, ist ein vielfach verurteilter Betrüger. Im Jahr 2005 wurde er das erste Mal zu einer Geldstrafe verurteilt. Seitdem verurteilten drei Amtsgerichte verschiedener deutscher Städte J. wegen Betrugs und Untreue.

Das letzte Mal 2014 in elf Fällen durch das Amtsgericht Landau. Dabei bekam der Angeklagte eine Freiheitsstrafe auf Bewährung. Der Auszug aus dem Bundeszentralregister machte am Ende des Prozesses eines deutlich: Achim J. betrog in den vergangenen 14 Jahren systematisch und zielgerichtet. Plau am See war nur sein jüngstes Ziel.

Vor der Urteilsverkündung kamen die Plädoyers. Die Staatsanwältin erhob sich. Sie wägte die Vorwürfe ab, legte einige Vergehen und vor allem kleine Rückzahlungen zugunsten des Angeklagten aus. Nach Auflistung der Vermögensdelikte und der Betrügereien forderte sie eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten ohne Bewährung.

Danach erhob sich der Verteidiger von Achim J. Er kritisierte in seinem Schlussvortrag die Färbung des Verfahrens. Er betonte die unübersichtlichen Belege, die zur Verfügung standen und manch undurchsichtige und wankelmütige Zeugenaussage. Außerdem sei das Verfahren ungewöhnlich lang und anstrengend für den Angeklagten gewesen. Der Rechtsanwalt sagte, sein Klient habe als ehemaliger Vorsitzender die Verantwortung für bestimmte Geldbeträge übernommen, aber von einer vorsätzlichen Straftat könne keine Rede sein. Der Rechtsanwalt setzte sich. Der Richter blickte zu J.: „WollenSienochetwassagen?“ Der Angeklagte nickte: „Nur zweiSätze.BeimeinenVorstrafen habe ich nie Geld veruntreut. Außerdem möchte ich mich beim Plauer Tierschutzverein entschuldigen. Mehr habe ich nicht zu sagen.“ Die Worte nutzten Achim J. nichts. Der Richter erhob sich, mitihmderganzeSaal.„ImNamen des Volkes ergeht folgendes Urteil“: Achim J. erhält eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten ohne Bewährung. Die nachweisbar fehlenden Gelder von 8679,37 Euro werden per Urteil vom Vermögen des Angeklagten eingezogen. AußerdemträgterdieKosten des Verfahrens. Der Angeklagte kann noch Widerspruch einlegen.

Richter Thomas Dickmann übertraf mit seinem Urteil die Forderung der Staatsanwaltschaft um zwei Monate. Er kommentierte auch die unübersichtliche Zettelwirtschaft während des Verfahrens. „Das Gericht hat dem Angeklagten in einem langwierigen Prozess die Möglichkeit gegeben, Nachweise für seine Ausgaben zu liefern. Schlussendlich ist der Angeklagte selbst in der Pflicht, für Belege zu sorgen. Nicht nur als ehemaliger Vereinsvorsitzender, sondern als derjenige, der nachweisbar mit dem Geld gearbeitet hat.“

Nach dem Prozess wollte Achim J. das Urteil nicht kommentieren, wie auch sein Anwalt. Die Plauer Prozessbeobachter zeigten sich erleichtert. Die ehemalige Kassenwartin Uta Kaßler sagte: „Ich wäre verzweifelt gewesen, wenn er heute nicht verurteilt worden wäre. Das Strafmaß mag hoch klingen, meines Erachtens ist es noch zu niedrig. Dafür, was er dem Verein und vor allem den Tieren in unserer Stadt angetan hat, die auf den Straßen umher streunen.“ Für J., der im Westen lebt, ist die Reise durch die mecklenburgische Justiz nicht beendet. Ein Verfahren am Amtsgericht Ludwigslust, das für den Schweriner Prozess ausgesetzt wurde, steht noch an.